StS
Der Film lief in Deutschland (falls das mit "bei uns" gemeint war) doch in den Kinos - nur leider fast unter Ausschluß der Öffentlichkeit...
Ich habe ihn mir damals beispielsweise hier in Hannover angesehen ... und hier meine Gedanken danach (nicht wundern - ist meine eigene Ofdb-Kritik)...
Eine Kritik von StS
eingetragen am 21.10.2004:
„Suspect Zero“ kombiniert das Serienkiller-Genre auf clevere Weise mit übersinnlichen Elementen, wodurch der Film von Regisseur E.Elias Merhige streckenweise wie eine kinogerechte Variante der „X-Files“ (mit gewissen „se7en“- und „Silence of the Lambs“-Anleihen) wirkt…
Da er einen vermeintlichen Serienmörder ohne Auslieferungsgenehmigung aus Mexiko in die USA „zurückgeholt“ hat, wird der FBI-Agent Thomas Mackelway (Aaron Eckhart) in die ländliche Provinz strafversetzt. Kurz nach seinem Eintreffen dort wird ein Handlungsreisender tot und verstümmelt aufgefunden. Bei der Leiche findet man zwei Zeichnungen – die einer düsteren Szenerie sowie ein Kreis mit einem durch ihn verlaufenden Strich. Um die Untersuchungen zu unterstützen, stellt man Mackelway die Kollegin Fran Kulok (Carrie-Anne Moss) zur Seite, und gemeinsam stoßen sie nach dem Fund eines weiteren Toten (auch ihm wurden die Augenlider abgetrennt) auf einen Anhaltspunkt: Die Opfer waren beide allem Anschein nach selbst Serienkiller…
Zeitgleich erhält Thomas an ihn adressierte Faxmitteilungen älterer Vermisstenanzeigen mitsamt Kommentare und dem kreisförmigen Zeichen (= einer Null). Die Spur führt ihn zu Benjamin O´Ryan (Ben Kingsley), der ihn mit einer unglaublichen Erklärung konfrontiert: Angeblich war O´Ryan Teil des FBI-Projekts „Icarus“, welches das „Remote Viewing“ bei derartig begabten Personen förderte – seitdem ist es ihm möglich, bei Konzentration Bilder von Personen und Taten zu empfangen und diese aufzuzeichnen. Auf diese Weise würde er auch die Serienkiller erkennen, aufspüren und schließlich richten…
Gegen den Willen seiner Vorgesetzten schenkt Thomas ihm Glauben und bleibt an der Sache dran, denn viele vermisste Personen konnten noch keinem Täter zugeordnet werden. O´Ryan ist von seiner Theorie des so genannten „Null-Verdächtigen“ überzeugt, welche besagt, dass es da draußen einen Killer gibt, der oft und schon lange Zeit mordet – da die Taten jedoch wahl- und zusammenhanglos, wie auch übers ganze Land verteilt sind, konnte noch keiner eine Verbindung erkennen und zielgerichtet ermitteln…
Tatsächlich ist das „Remote Viewing“-Verfahren keine Erfindung des Drehbuchautors, sondern stammt aus der PSI-Forschung und bezeichnet die Gabe, mittels außersinnlichen Wahrnehmungen räumlich oder zeitlich entfernte Objekte oder Geschehnisse erkennen zu können. Angeblich begann die CIA bereits in den 70er Jahren mit diesbezüglichen Forschungen und Experimenten – allein schon deshalb ein Fest für Esoteriker und Verschwörungstheoretiker, was wiederum eine Verbindung zu den „X-Files“ schafft.
Insgesamt gibt es noch diverse andere Ähnlichkeiten zwischen „Suspect Zero“ und der erfolgreichen Chris Carter Serie: Der in Ungnade gefallene und von seinen Vorgesetzten nicht ganz ernst genommene Agent, der auch übernatürliche Aspekte nicht sofort ausschließt und auf eine bestimmte Art mit seinem Gegenspieler verbunden ist, das „Mann/Frau“-FBI-Gespann sowie der ungezwungene aber subtile Umgang mit übersinnlichen Motiven.
Es ist wichtig zu erwähnen, dass sich die Art der Inszenierung erfreulich von der Masse der Serienkiller-Filme unterscheidet, welche in den letzten Jahren verstärkt auf den Markt gekommen ist: Das Erzähltempo ist ruhig und nimmt sich auch für Kleinigkeiten Zeit – es gibt keine glatt polierte Videoclipästhetik oder Hochgeschwindigkeits-Schnittfolgen. Die Handlung spielt nicht in einer regnerischen Großstadt, sondern in den Wüstengebieten in und um New Mexiko. Humor, Action oder eine Liebesgeschichte sucht man ebenfalls vergeblich. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, wird am Ende mit einer interessanten und geheimnisvollen Geschichte belohnt – und das ist deutlich mehr, als Filme wie „Taking Lives“ aufbieten konnten…
Trotzdem ist „Suspect Zero“ hauptsächlich ein visueller Film – voller düsterer Bilder und Visionen. Unter der Regie von Kunstfilmer E.Elias Merhige, der mit dem unmöglich in Worte zu fassenden Werk „Begotten“ sein Spielfilm-Debüt gab und jüngst den unterschätzten „Shadow of the Vampire“ in die Kinos brachte, geriet die Optik zu der unumstrittenen Stärke des Films: Die ruhigen und fast nüchternen Visionen setzte man in einer ungewöhnlichen Bildersprache mit farblich und filtertechnisch verfremdeten Einstellungen in Szene. Absolut großartig fielen zudem die vielen Zeichnungen aus, die im Filmverlauf auftauchen oder von O´Ryan erstellt werden – dunkel, grausam und grotesk, aber auch realistisch.
An den darstellerischen Leistungen des Films gibt es eigentlich nichts auszusetzen: Aaron Eckhardt (“Paycheck“/“the Missing“) verkörpert seine Rolle glaubwürdig, wie auch Carrie-Anne Moss (“Matrix“/“Red Planet“), deren Charakter allerdings nicht viel hergibt, so dass sie insgesamt etwas verschenkt wirkt. Die Glanzpunkte setzt allerdings mal wieder Ben Kingsley („Schindlers Liste“) – sein teilweise fast manisches Spiel bereichert den Film ungemein. Ihm gelingt es, eine Balance zwischen der Aggression seiner Taten und der inneren Verzweiflung aufgrund seiner „Gabe“ zu finden und umzusetzen. Im ersten Drittel bleibt seine Figur zurückhaltend und geheimnisvoll, kommt aber dann später voll zur Geltung.
Eigentlich ist es ungewöhnlich, Kingsley in einer Studioproduktion wie dieser zu sehen, doch allem Anschein nach hat er sich nach dem großartigen Schauspiel-Drama „House of Sand and Fog“ gedacht, mal einige für ihn untypische Rollenangebote anzunehmen – nur so ist (meiner Meinung nach) sein Mitwirken in Projekten wie der „Thunderbirds“-Realverfilmung oder Uwe Bolls „Bloodrayne“ zu erklären.
Der von Tom Cruise mitproduzierte Film ist sicher wegen der Art seiner Inszenierung zu einer Geschmackssache geworden: Trotz der guten Bebilderung mangelt es ihm phasenweise an Tempo, was wohl an Regisseur Merhige liegt, denn er mag zwar ein talentierter Filmemacher sein, aber eher auf einem künstlerischen Sektor – die Erzeugung von Spannung gehört leider nicht zu seinen Stärken (er sollte sich lieber (wie zuvor) auf Arthouse-Produktionen konzentrieren). Schade, denn mit geringfügigen Straffungen für mehr Tempo hätte man deutlich mehr aus der Prämisse herausholen können. Leider wirbt der Film auch mit seiner Story vom „Mörder der Serienkiller“ – ohne diese Information hätte es eine (gute) Wendung mehr gegeben…
Fazit: „Suspect Zero“ ist ein recht ruhiger und düsterer Thriller mit starkem Hauptdarsteller – aber auch ein Fall von „style over substance“, der seinem Potential leider letztendlich nicht gerecht wird … 6 von 10.
freeman
Allmächt, dann bist du das ja wirklich. Deine Kritiken in der ofdb sind immer jene, welche ich (neben Blade Runner, onkel oder clane usw.) immer lese! Also wenn da 20 verschiedene dastehen und eine von dir ist darunter, lese ich die auch, hat quasi so nen Gütesiegelcharakter. Schön dich mal "kennenzulernen"!
In diesem Sinne:
freeman
StS
Danke - hört man gern!
😁
An die Kritiken von Onkel, Blade Runner, Tyler Durden oder McClane halte ich mich ebenfalls immer gern - die treffen auch öfters meinen Geschmack.
freeman
Jau stimmt, die lese ich auch gerne - wie bereits erwähnt. Würde zwar nich behaupten, von denen abzugucken, wie man Kritiken schreibt, aber ich habe von denen gelernt, dass nen eigener Stil mehr hilft als stures Nachahmen. Wie gesagt, es ist mir eine Ehre ... 😉
In diesem Sinne:
freeman