DerNarr schriebHalte das aber nicht für Gewißheit....Und das Cassel den Feuerlöscher hält, habe ich auch nie behauptet...Selbst wenn er den richtigen erwischt, und seine Rache konsequent gelebt hat, ist der film immer noch hart genug...
So bitteschön, hier die versprochenen Anmerkungen des Regisseurs:
[spoiler]Ich hab jetzt mal einige Aussagen des Audiokommentars der ersten knapp 25 Minuten, der Sequenz im Club (also den Anfang im Film/das Ende der Geschichte)in etwa sinngemäß niedergeschrieben.
Die wilden Kamerafahrten sollen unter anderem den Zustand von Vincent Cassel’s Charakter beschreiben, der mit zunehmender Dauer aus dem Gleichgewicht gerät. Vincent Cassel versetzte sich, um der Rolle mehr Intensität und Realität zu verleihen, in eine Art Trance-Zustand (als der Film gedreht wurde), in welchem er sich ja dann auch ziemlich orientierungslos aber mit dem einen Ziel vor Augen, nämlich zu töten, im Club bewegt. Dabei folgt ihm die Kamera oder zeigt die Bilder aus seiner Perspektive. Außerdem wurde in der ganzen Sequenz im Club sehr viel improvisiert, was die Texte der Schauspieler betrifft, da der Regisseur der Meinung ist, in diesen Szenen einem genauen Drehbuch zu folgen, würde wahrscheinlich zu keinem so guten oder überzeugenden Ergebnis führen.
Als die Dreharbeiten begannen existierte nur ein 4seitiges !!! Drehbuch, wo nichts außer dem Inhalt der Sequenzen geplant war. Diese waren mit je 10-15 Zeilen auch sehr knapp umrissen.
Auch die Länge der Sequenzen war nicht vorbestimmt, sondern ergab sich praktisch während den Proben.
Er [der Regisseur] wird oft gefragt, wie er „solche“ Filme machen kann, bei seiner zarten Stimme und seinem lächeln. Gaspar Noe antwortet, dass das Filme machen oder auch das anfertigen von literarischen Arbeiten die als extrem oder radikal angesehen werden, als Ventil für Menschen, die ansonsten äußerst zivilisiert sind, fungiert. In dem Zusammenhang erwähnt er unter anderem Pasolini, den Regisseur von „Salo“, den er für sehr zivilisiert hält.
Oft seien es eher die Regisseure von beliebten Komödien, die im echten Leben am beängstigsten sind.
Die Gewalt im Film kommt überall in bestimmten Formen; ein bisschen dieser Gewalt herrschte tatsächlich am Set [er bezieht sich auf eine Szene in der sich 2 Schauspieler in einer Art Schlägerei befinden, die auch real stattgefunden habe, bei der die Schauspieler aber natürlich darauf achten sollten sich nicht zu verletzen]. Dabei wirkte es dann sehr real und musste nur noch durch entsprechende Soundeffekte verstärkt werden. Die Schauspieler waren während und nach den Kämpfen richtiggehend „aufgeladen“, er als Regisseur nach dem dauernden auf und absteigen der Treppen (die Szene spielte auf 3 Ebenen) mit der Kamera in der Hand, erschöpft. Außerdem hält er diese langen Szenen ohne Schnitte (teilweise bis zu 16 Minuten) für die Schauspieler sehr gut, da sie für den Augenblick „mitgerissen“ werden. (Ich denke er meint, dass sie sich genau in die Situation hineinversetzen und mit zunehmender Dauer dann für den Moment „wirklich“ diese Figur darstellen und so gut es möglich ist, die Handlungsweise und Gestik nachempfinden und regelrecht für den Moment zu leben. Da scheint mir die Improvisation sicher ein besseres Mittel als sich streng an ein Drehbuch zu halten!) Diese Art der Schauspielerei ist sehr physisch und daher auch anstrengender, besonders für Vincent Cassel.(eben wegen der langen Szenen ohne Schnitte, 6-16 Minuten)
So, jetzt sind wir gerade bei der Szene, in der Vincent Cassel den echten Vergewaltiger und dessen Kumpels trifft. Hier stellt der Regisseur klar, dass viele Leute die Szene missverstanden hätten, indem sie dachten, es sei der Vergewaltiger, der getötet wird. Es ist allerdings nur ein Freund des Vergewaltigers! Weiterhin merkt er an, dass tatsächlich ungefähr eine von fünf Personen, die den Film gesehen haben, denkt, der Vergewaltiger wäre getötet worden, was natürlich nicht der Fall ist!
Bei den Schlägen, die schon so sehr real wirkten, wurde nachträglich noch mehr Blut hinzugefügt, um sie noch gewalttätiger erscheinen zu lassen.
Schließlich wird noch der Latex-Dummy erwähnt, der für die „Feuerlöscher-Szene“ angefertigt wurde. Man sieht in der Szene den Feuerlöscher. Dabei ist die obere Hälfte real, der untere Teil wurde mit 3D-Effekten ergänzt. Das Gesicht das durch den Feuerlöscher zermatscht wird ist nach den ersten Schlägen das echte Gesicht des Schauspielers, aber es wurden Hämatome nachträglich hinzugefügt und Zähne wurden digital entfernt. Dann wurde auf den Latex Dummy gewechselt, der dann wirklich zerplatzt, nachdem mehrmals auf ihn eingeschlagen wurde. Zwischendrin macht der Regisseur auch noch ein paar Bemerkungen zu den einzelnen Kameraeinstellungen und Cuts. Aber sogar der Dummy wurde nachträglich animiert, zB. um den Kiefer zu bewegen. Der Schauspieler – es war, wie ich schon richtig geschrieben hatte, nicht Vincent Cassel der mit dem Feuerlöscher einschlägt, sondern sein Freund – war nach den Schlägen mit dem Feuerlöscher erschöpft, aber auch etwas mitgenommen, wie alle anderen Schauspieler übrigens auch, da die Szene schon am Set etwas zu reales an sich hatte, was alle als ein bisschen unbehaglich empfanden. Jo Prestia, der Schauspieler der den Vergewaltiger darstellt, war mehrere Jahre der Weltmeister im Thai-Boxen und Gaspar Noe wollte ihn unbedingt für den Film. Viele der Film Crew kannten und bewunderten ihn, da er wohl oft im TV zu sehen war (Gaspar Noe sagt, dass er ihn nicht gesehen hat, aus dem einfachen Grund, dass er eigentlich kein Boxen im TV sieht).
Das war jetzt bis auf ein paar wenige Informationen, die ich weggelassen habe, der komplette Anfang im Club bis zu dem Punkt, als sich beide noch davor befinden. (ca. 25 Minuten).
Ich denke jetzt dürften alle Unklarheiten beseitigt sein, ich für meinen Teil finde den Audiokommentar recht interessant und informativ. Gerade bei einem so kontrovers diskutierten Film ist es ganz hilfreich die Anmerkungen des Regisseurs zu hören, bevor man den Film als absoluten Dreck bezeichnet.
Sicher ist der Film hart an der Grenze (oder auch über der Grenze) des Erträglichen, auch über die Notwendigkeit die beiden bestimmten Szenen in dieser Art und vor allem Ausführlichkeit (Länge) zu zeigen, kann man diskutieren. Aber sieht man mal von diesen beiden Szenen ab, dann ist der Film in seiner Art auf jeden Fall sehr interessant, schockierend und in seiner Wirkung sehr komisch. Denn hat man die beiden angesprochenen Szenen hinter sich, dann entlässt einen der Film fast mit einem guten Gefühl - weil er eben rückwärts läuft – wäre da nicht etwas im ersten Teil des Films gewesen. Irgendwie eine seltsame Wirkung für einen so schockierenden und brutalen Film.
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