Entstehungsdaten:
Australien 2022
Regie:
Danny Philippou
Michael Philippou
Darsteller:
Sophie Wilde
Joe Bird
Alexandra Jensen
Miranda Otto
Trailer
Bei "Talk to me" (2022) haben wir es mit dem Feature-Film-Debüt der ursprünglich aus Australien stammenden, inzwischen aber in Los Angeles ansässigen Zwillingsbrüder Danny und Michael Philippou zu tun, welche sich im Vorhinein mit ihrem erfolgreichen YouTube-Kanal RackaRacka einen Namen gemacht hatten. Im Gegensatz zu ihrem sonst üblichen Content, der vorrangig aus trashy-überdrehten Action-Comedy-Horror-Videos besteht, gingen sie bei ihrem Erstlingswerk in diesem Bereich einen anderen Weg und schufen eine dramatisch-ernste, durch und durch hochwertig umgesetzte sowie fest in letzterem Genre verwurzelte Veröffentlichung, die sich somit klar von ihrer bisherigen "Handschrift" abhebt Schrägstrich unterscheidet. Von den Twins gemeinsam mit ihrem regelmäßigen Projekt-Kollaborateur Bill Hinzman erdacht sowie in ihrer Heimat via der "Causeway"-Produktions-Schmiede realisiert, deren "Portfolio" u.a. auch "the Babadook", "Blaze", "the Nightingale" und "You won´t be alone" umfasst, sicherte sich "A24" (nach der gefeierten US-Premiere auf dem "Sundance"-Festival) schließlich die entsprechenden Vertriebsrechte – was Kundige (aus der Erfahrung der vergangenen Jahre heraus) natürlich jeweils ein als gewisses "Gütesiegel" ansehen…
Eröffnet wird mit einer Sequenz, in der ein junger Mann (Ari McCarthy) auf einer belebten Party eintrifft und sich auf der Suche nach seinem Bruder Duckett (Sunny Johnson) durchs Haus umherbewegt – bis er mitbekommt, dass jener sich wohl in einem der Schlafzimmer aufhält, dessen Tür allerdings verschlossen ist. Voller Sorge bricht er sie kurzerhand auf und entdeckt Duckett auf der Kante des Bettes sitzend: Augenfällig befindet er sich in keinem guten Zustand – eventuell aufgrund konsumierter Drogen? Als er ihn daraufhin hinaus in Richtung Küche begleitet, bemerkt er, dass die meisten der anwesenden Feiernden ihre Handys gezückt haben und das Ganze aufzeichnen: Typisches Verhalten in der heutigen Zeit. Wütend schreit er sie an, sie sollen sich verdammt nochmal um ihre eigenen Sachen scheren – aber kaum jemand hört auf ihn. Im Gegenteil: Es werden nur weitere der Situation gewahr – und "Ausraster" eignen sich im Prinzip ja gar noch besser zum Posten als Intoxikierte. Was dann jedoch geschieht, dürfte wohl niemand der Kids je wieder vergessen: Zwei unerwartete, von mir an dieser Stelle ungespoilert belassene Ereignisse, die ihre "Wirkung" nicht verfehlen sowie dem Publikum effektiv verdeutlichen: The Philippous aren´t fucking around here…
Dem Prolog folgend, lernen wir nun Mia (Sophie Wilde) kennen: Exakt 24 Monate ist es her, dass ihre Mutter (Alexandria Steffensen) an einer Überdosis Schlaftabletten starb – und ausgerechnet an diesem Tag sieht sich die 17-Jährige plötzlich mit einem angefahrenen, vor ihrem Wagen auf der Straße im Sterben liegenden Känguru konfrontiert, nachdem sie zuvor Riley (Joe Bird), den jüngeren Bruder ihrer besten Freundin Jade (Alexandra Jensen), aus der Gesellschaft eines seiner Kumpels abgeholt sowie mit ihm lautstark Sia´s Song "Chandelier" mitgeträllert hatte. Trotz Riley´s Erbitten, das leidende Tier doch zu erlösen, bringt sie das aber einfach nicht fertig. Die fortbestehende bedrückende Trauer um ihre Mutter – ergänzt um die (für sie) ungeklärte Frage, ob es ein Unfall oder ein Suizid war – haben dazu geführt, dass sie eine "emotionale Distanz" zwischen sich und ihrem Vater (Marcus Johnson) aufgebaut sowie in Gestalt von Jade, Riley und deren allein erziehenden Mutter Sue (Miranda Otto) quasi eine "Ersatz-Familie" gefunden hat. Was Mia außerdem ein zusätzliches Stück weit traurig stimmt, ist dass Jade ihre Aufmerksamkeit zunehmend ihrem neuen Boyfriend Daniel (Otis Dhanji) widmet, mit dem auch sie befreundet ist…
An jenem Abend treffen sie sich mit einigen Bekannten zu einer geselligen Runde. Highlight des Get-togethers ist das Ausprobieren eines Spielchens bzw. einer Mutprobe der besonderen Art, welches vor kurzem in ihren Kreisen viral gegangen war: Zwei von ihnen – Hayley (Zoe Terakes) und Joss (Chris Alosio) – sind nämlich an eine mysteriöse Hand aus einem Gips- oder Keramik-ähnlichen Material gelangt, in deren Innern das entsprechende Greiforgan eines mächtigen Mediums mit einbalsamiert sein soll. Sollte man das Objekt (neben einer entzündeten Kerze) ergreifen und dabei die Worte "Talk to me" aufsagen, würde der Geist eines Toten erscheinen, so heißt es. Geht man anschließend noch einen Schritt weiter und fügt die Erlaubnis "I let you in" hinzu, wäre das Resultat, dass jener von einem Besitz übernimmt und einen zum Teil bizarre Dinge tun lässt, die irgendwie mit dem Verstorbenen in Verbindung stehen. 90 Sekunden sollte das aber nicht überschreiten – ansonsten würde es gefährlich werden und könnt´s passieren, dass dieser "Übergang" nicht mehr (oder nicht mehr vollständig) umkehrbar wäre. Um sich abzulenken und wegen ihrer Laune nicht als "Spaß-Bremse" gelten zu wollen, willigt Mia ein, den Anfang zu machen…
Augenblicklich entpuppen sich die Internet-Videos nicht als Fakes: Der Schrecken fährt Mia durch Mark und Bein, als ihr postwendend ein Geist gegenüber sitzt, den nur sie sehen kann – doch bricht sie nicht ab und "willigt ein". Allen wird dann auch prompt klar, warum Joss darauf bestanden hat, sie an ihren Stuhl festzuschnallen. Pünktlich nach eineinhalb Minuten "zurückgeholt", muss Mia das Erlebte erst einmal verarbeiten. Angesichts dessen, wovon sie da Zeuge wurden, ist die Gruppe nun allerdings angefixt – so dass der Fun im Rahmen einer anderen Gelegenheit rasch seine Fortführung findet, bei der sie sich abwechseln und das filmen, was sich ihnen jeweils bietet. Wie unter Hypnose, verhält sich der eigentlich religiös-keusche Daniel bspw. sehr lüstern – während sich bei jedem die Mimik grotesk verzerrt und sich die Pupillen extrem erweitern. Die Philippous haben hier u.a. den Reiz des Okkulten, den Trend risikofreudiger "Social-Media-Challenges" sowie Besessenheit als Metapher für Drogenkonsum in ihr Skript mit integriert. Den Kids verschafft das einen "ihr Bewusstsein erweiternden Kick", der sich zudem positiv auf die Verbundenheit innerhalb der Clique auswirkt: Eine "rauschhafte Erfahrung", die man nach Möglichkeit öfters verspüren möchte…
Die kollektive Euphorie ist geradezu ansteckend – worüber hinaus es für den Betrachter angenehm ist, dass tatsächlich keiner die für gewöhnlich unweigerliche Diskussionen anzettelt, ob Mia sich das nicht vielleicht bloß eingebildet hat oder ihnen das alles nur vorspielen würde. It´s all (creepy) fun & games – doch irgendwann kommt es, wie es bei solchen Geschichten ja förmlich kommen muss – speziell wenn es eine wichtige Zeitbegrenzung sowie die warnende Aussage gibt, dass die Gefahr insbesondere für Jüngere sehr hoch sei: Riley möchte ebenfalls partizipieren – und obgleich seine Schwester dies ablehnt, gestattet es ihm Mia schließlich (für eine verkürzte Dauer), als Jade und Daniel mal nicht zugegen sind. Plötzlich stellt sich heraus, dass der bei ihm heraufbeschworene Geist offenbar Mia´s Mutter ist – was sie natürlich dazu bewegt, weiter mit ihr sprechen zu wollen. Als Jade wenig später (aufgrund des Hörens von Krach und Schreien) zurück ins Zimmer eilt, hat sich ihr Bruder "selbst" dermaßen schwer verletzt, dass er das nur knapp überlebt sowie fortan (im Krankenhaus) kaum noch ansprechbar ist. Von dieser intensiven, brutalen, hervorragend arrangierten Sequenz aus an geht "Talk to me" nun in die nächste Phase seines Verlaufs über…
Schockiert über das, was mit Riley geschehen ist, halten Jade und Sue Mia unmittelbar danach merklich auf Abstand: Letztere verdächtigt sie spontan, ihrem Sohn Drogen gegeben zu haben – wogegen ihre Tochter die Wahrheit kennt, jedoch wütend auf Mia ist, da jene das (wider besseres Wissen) zugelassen hatte. Die Geborgenheit der Konstellation mit den dreien war für Mia zu einer gewichtigen "Stütze" geworden, seit der erlittene Schicksalsschlag – also der jähe Verlust eines Elternteils – ihr heftig zugesetzt sowie sich eine "Kluft" zwischen ihr und ihrem melancholischen Vater entwickelt hatte. Schuldgefühle und die Furcht vor Einsamkeit vermengen sich mit der Sehnsucht, mit der geliebten Verstorbenen kommunizieren sowie auf diese Weise simultan auch Konkreteres über die bislang uneindeutigen Umstände ihres Todes erfahren zu können. Mit Hilfe der Hand, welche sie an dem Abend rasch an sich genommen hatte, sucht Mia im Folgenden diesen Kontakt – ohne der zweiten Hälfte des Rituals, versteht sich – allerdings fördert das nur noch weitere Fragen und Zweifel zutage. Dem Anschein nach wird sie belogen – ggf. gar manipuliert – aber von wem: Ihrem Vater oder ihrer Mutter? War es eventuell weder ein Unfall noch ein Suizid?
Das Publikum kann sich ebenso nie ganz sicher sein, wer lügt sowie was davon sich Mia (über die unbestrittenen "paranormalen Vorkommnisse" hinaus) wohlmöglich bloß "hinzuhalluziniert". Fakt ist jedoch, dass Riley noch immer besessen ist und somit weiterhin in Gefahr schwebt – weshalb sich die Eingeweihten (Mia, Hayley, Jade und Co.) emsig darum bemühen, den Geist irgendwie aus seinem Körper zu verbannen, ehe es für ihn – der währenddessen "zwischen den Welten" unsägliche Qualen erleidet – zu spät ist. Mit all dem auf Mia und ihre emotionale, ohnehin schon "seelisch fragile" Verfassung einwirkend, ist es kaum ein Wunder, dass sie mitunter nicht die besten Entscheidungen trifft. Die verschiedenen Facetten des Parts meistert Sophie Wilde ("the Portable Door") in Gestalt einer nuancierten, rundum überzeugenden Performance. Generell können sich die Leistungen der allesamt noch relativ unerfahrenen Jungmimen sehen lassen – unter ihnen Alexandra Jensen ("Beat"), Joe Bird ("Rabbit"), Otis Dhanji ("Aquaman") und Zoe Terakes ("Unravelling") – worüber hinaus Miranda Otto ("I, Frankenstein") – ihres Zeichens die gestandenste und prominenteste Beteiligte – in ihrer Nebenrolle gewohnt kompetenten Support beisteuert…
"Talk to me" mag zwar nicht sonderlich originell sein – aber welcher Film ist das heutzutage überhaupt noch? Wichtiger ist, dass die Autoren jene klassischen Motive und Genre-Elemente geschickt variiert sowie zu einer ordentlich funktionierenden Story vereint haben – solche wie etwa gängig-vertraute Abläufe und Versatzstücke aus dem Bereich Spuk- bzw. Dämonen-Horror infolge einer Séance mit einem speziellen Objekt: Statt eines Oujia-Bretts hier eins, das einen unweigerlich an William W. Jacobs' "the Monkey´s Paw" denken lässt. Obendrein fühlte ich mich punktuell u.a. an "Flatliners", "It Follows" sowie selbst an "Event Horizon" (bei einer Passage mit Riley im "Limbus") erinnert. Konventionen wurden abgewandelt – zeitgemäß aufgefrischt, könnte man sagen – mit einer subtilen Prise Selbstironie versehen sowie auf dramatisch-psychologischer Ebene inhaltlich ergiebig unterfüttert. Glaubwürdig verwoben mit Mia´s Gemütszustand – ihrer gesamten Persönlichkeit – geht es um Themen wie Freundschaft und Familie, Verlust- und Trauma-Verarbeitung, den zehrenden Drang nach Antworten und Closure sowie dass einen Trauer, Kummer, Isolation und/oder Pein durchaus anfälliger für "schädigende Einflüsse" machen können…
Trotz all der achtbaren Dinge, die das Werk "unter seiner Oberfläche" zu bieten hat, handelt es sich aber keineswegs um eine tiefschürfende Auseinandersetzung mit eben jenen: In der Hinsicht bleibt das Drehbuch ein wenig hinter seinem Potential zurück – unabhängig dessen, dass es sich in der vorhandenen Form dennoch positiv von diversen ähnlichen abhebt. Vergleichbar ist das mit "Smile": Auch bei jenem übernatürlichen 2022er Streifen markiert die "mentale Stabilität" seiner Haupt-Protagonistin einen zentralen, fest mit der Entfaltung der sich zuspitzenden Ereignisse verbundenen Faktor und war Parker Finn´s Regie-Können seiner Vorlage überlegen. Über die Dialog-Qualität, Darreichung von Informationen und wie die Charaktere verfasst wurden gibt´s keine ernsthafte Notwendigkeit zur Klage – doch ist es vor allem wie souverän die Philippous ihr Debüt im Griff hatten, was ins Auge fällt: Sich massiv von dem Stil ihres DIY-YouTube-Outputs unterscheidend, könnte man das Ergebnis ohne weiteres für eine Veröffentlichung eines Hollywood-Studios halten. Professionell und Multiplex-tauglich anstelle von edgy-individuell: Ein "zweischneidiges Schwert" – allerdings eins, das den Brüdern innerhalb der Branche einträglich als "Türöffner" dienen wird…
Mit einem anständigen Sinn für Pacing zieht die knapp über 90-minütige Laufdauer kurzweilig an einem vorüber – wobei einen regelmäßig spannende oder anderweitig effektive Sequenzen erfreuen. Zu der düsteren Stimmung tragen Cornel Wilczek´s ("These final Hours") Score und Emma Bortignon´s (TV´s "Picnic at Hanging Rock") Sound-Design ebenso löblich ihren Teil bei wie die gewählte Farbgebung, Ausleuchtung und Kamera-Arbeit Aaron McLiskys ("Poker Face"). Geoff Lamb´s ("StalkHer") Editing ist nie unübersichtlich, auf plumpe Jump-Scares wurde verzichtet und das Make-up-Department hat Hochklassiges vollbracht. Details wie extrem erweiterte Pupillen während der Rituale empfand ich als herrlich creepy, die Schock-Momente sitzen und die präsentierte Gewalt vermittelt das jeweils Beabsichtige viszeral-wirkungsvoll. Obendrein wurde weitestgehend auf CGIs verzichtet – was dem Gebotenen einen "realistischer" anmutenden Touch verleiht. Alles in allem haben die Philippous mit "Talk to me" einen sehenswerten Horror-Film aus australischen Landen vorgelegt, welchen sich "A24" nicht ohne Grund gesichert hat und der einem am Schluss sogar noch zeigt, was es mit dem "Licht am Ende des Tunnels" auf sich haben könnte…
gute