Entstehungsdaten:
USA 2022
Regie:
Robbie Banfitch
Darsteller:
Robbie Banfitch
Michelle May
Angela Basolis
Scott Schamell
Trailer
We all die in the dark.
Bei "the Outwaters" handelt es sich um einen Found-Footage-Horror-Streifen aus dem Jahr 2022, der in seiner späteren Hälfte ohne weiteres der Rubrik Experimental-Film zugeordnet werden kann. Verfasst und in Szene gesetzt von Robbie Banfitch – welcher an der Realisierung dieser Microbudget-Produktion obendrein auch noch als Hauptdarsteller, Editor, Kameramann, Sound-Designer, Special-F/X-Künstler und Producer beteiligt war – ließ jener sich u.a. vom Genre-Klassiker "the Blair Witch Project" sowie dem Schaffen Terrence Malicks inspirieren, nachdem ihm die Idee dazu beim Anschauen von Bobcat Goldthwait´s 2013er Bigfoot-Flick "Willow Creek" gekommen war. Um für eine "authentische Chemie" zwischen den Screen-Charakteren zu sorgen, castete er für die übrigen drei zentralen Rollen Freunde von ihm und improvisierte mit ihnen die meisten Dialoge und Interaktionen direkt vor Ort beim Dreh…
Eröffnet wird auf eine altbewährte, nichtsdestotrotz noch immer effektive Weise – und zwar in Gestalt eines schwarzen Bildes samt eines eingespielten, in einem 9-1-1-Callcenter eingehenden Notrufs: Während die Telefonistin versucht, einen konkreten Kontakt herzustellen, hört man am anderen Ende der Leitung bloß nahezu unverständliche Sprachfetzen, unklare Geräusche sowie eine Menge panische, schreckliche Schreie. Parallel dazu werden einem der Reihe nach Fotos von vier Personen gezeigt – ergänzt um Schrift-Zeilen mit ihren Namen, ihrem Alter sowie dem Datum, an dem sie zuletzt gesehen wurden (jeweils der 08. August 2017) – gefolgt von zwei weiteren Text-Einblendungen: Evidence Mojave County Police Department, Camera/Memory Cards, Date of Discovery 2/22/2022 sowie For internal Review, Memory Cards 1-3, Raw Video/Sound, Chronological Assembly…
Die erste Speicherkarte wartet mit dem üblichen "einleitenden Material" auf: Robbie (Banfitch) ist ein in L.A. ansässiger Regisseur, dessen aktuelles Vorhaben ein Musikvideo-Shoot für die bislang noch unbekannte Sängerin Michelle (Michelle May) ist. Als Location wurde die Mojave-Wüste auserkoren – und da im Grunde keinerlei Geld zur Verfügung steht, hat man sich für eine reine DIY-Aktion entschieden, bei der sein Bruder Scott (Scott Schamell) für den Ton verantwortlich ist sowie sich dessen beste Freundin Ange (Angela Basolis) um Michelle´s Frisur, Garderobe und Make-up kümmert. Mit einigen der eindrucks- und stimmungsvollen Landschaften ausschließlich zu Fuß erreichbar, wurde der Trip von Anfang an inklusive Wandern und Übernachten in Zelten geplant – und so legen sie, motiviert und guter Laune, unter der brennenden Sonne des amerikanischen Westens los…
Positiv an diesem knapp 27-minütigen Einstiegs-Abschnitt von "the Outwaters" fällt auf, dass die Mimen Schrägstrich Protagonisten tatsächlich prima miteinander harmonieren und auch nicht irgendwie zu "nerven" beginnen – was zum Teil gewiss damit zusammenhängt, dass eben jene keine Teens, sondern Erwachsene in der Altersspanne von 28 bis 36 sind. Zudem wirkt das Dargebotene glaubwürdig – von der Art, wie es gefilmt wurde und sich die Leute verhalten, sowie frei etwaiger fürs Publikum registrierbar in die Dialoge mit eingebauter "Exposition Dumps". Dennoch hätte diese Phase von einer "Straffung" profitiert – vielleicht so um 50% ihrer Dauer – denn in ihr passiert weder etwas Aufregendes noch lernen wir die Figuren (über ein paar individuelle Details hinaus) vernünftig kennen. Generell sind die Charakter-Zeichnungen bloß oberflächlich ausgeprägt – allerdings ist das im Vorliegenden gar nicht mal so beklagenswert, imo…
Ich kann verstehen, warum Banfitch Szenen wie Scott´s Geburtstags-Geschenke, einen kurzen Besuch von ihm und Robbie bei ihrer Mutter, kleinere Erdbeben inmitten der City, Aufbruchs-Vorbereitungen sowie eine Kostprobe von Michelle´s Gesang mit eingebunden hat – doch muss sich der Betrachter da geradezu "gedulden", ohne dass sich diese Ereignisse als wahrhaft wichtig für Spezielles im fortschreitenden Verlauf entpuppen. Im Prinzip hätte man den Streifen problemlos mit ihrer Ankunft in der Wüste starten lassen können. Scott ist eher ruhig und reserviert, Michelle eine sympathische "Künstlerseele", Ange lebenslustig-fröhlich sowie Robbie derjenige, der sich darum bemüht, dass alle eine nette gemeinsame Zeit verbringen sowie ein ordentliches Ergebnis zugunsten Michelle´s Karriere erzielen. Insgesamt erfährt man kaum mehr als das – wobei man auch nicht wirklich mehr zu wissen braucht…
Die Natur in jener Region besitzt ein ganz eigenes Flair. Für etliche mag sie nichts weiter als staubig-trockenes Ödland sein – mit hohen Temperaturen sowie Gefahren wie Giftschlangen – doch als jemand, der schonmal dort war, ist es mir unschwer nachzuempfinden, was Banfitch in der Hinsicht "transportieren" wollte. Canyons, Riss-Muster im Boden, wo früher mal Wasser war, farbkräftige Sonnenuntergänge, sternklare Nächte, ein Grüppchen wild umherstreifender Esel – da passt der "Hippie-inspirierte" Look Michelles (im Rahmen des Shoots) sehr treffend und kann man sich an einigen richtig schönen Aufnahmen erfreuen. Diese Memory Card weist u.a. einzelne Entdeckungen auf, die sie entlang ihres Weges machen sowie einen "leicht unheilschwangeren Eindruck" erwecken, per se aber nicht unbedingt ungewöhnlich für die Gegend sind – wie z.B. Tier-Knochen oder die Patronenhülse eines Gewehrs…
Mitunter ist es arg windig und stören Bienen das Entspannen ein wenig – aber es ist nachts, dass sie unweigerlich auf Mysteriöses um sie herum aufmerksam werden: Ein lautes Knallen und Grollen, das sie für Gewitter halten, lässt sie aufschrecken – allerdings kommt es ihnen bald so vor, als wäre das eventuell eines "mechanisch-künstlichen" Ursprungs. Kanonen oder Raketen? Gibt es in der Nähe ein militärisches Übungsgelände? Obendrein beobachtet Robbie ein pulsierend-helles, ihn an einen Kugelblitz erinnerndes Licht an einer Anhöhe, an der er am nächsten Tag Scott´s Mikro in ein Loch steckt, in welchem sie nicht eindeutig erklärbare Klänge hören können – in Addition zum Verspüren von Vibrationen unter dem Gestein. Ein subterraner Fluss wohlmöglich? Am Abend ist dann wieder das Dröhnen, Summen und Donnern zu vernehmen. Die Sonne geht unter – und die zweite Speicherkarte endet…
Während sich Robbie in der Umgebung umschaut, kann er schemenhaft eine Gestalt auf einem Hügel erspähen, die offenbar eine Axt in Händen hält – bevor das blendende Flackern erneut einsetzt und er sich mit starken Kopfschmerzen zurück ins Zelt legt. "The sky opened up", berichtet er seinem Bruder, der scheinbar bereits schläft. Als er ihn anstupst, wird erkennbar, dass seine Hand blutig ist. Von dem Punkt an – in Minute 57 – reißt einen der Film schlagartig (für seine restliche dreiviertelstündige Dauer) hinab in einen tiefen "Abgrund" aus garstigem Chaos – erzählt fortan keine kohärente Geschichte mehr und zeigt bloß nur noch (überwiegend verwackelte) Fragmente von dem auf, was Robbie in seinem Zustand aus Panik, Verwirrung und Wahnsinn zu sehen bekommt. "the Outwaters" will einem quasi – wie von einer jähen "Horror-Sturzflut" erfasst – den Boden unter den Füßen wegziehen…
Begleitet von Schreien und fürchterlichen Geräuschen irrt Robbie mit einer Taschenlampe und seiner Kamera in der Dunkelheit umher. Rennend, stolpernd, kriechend (etc.), erleuchtet der Lichtkegel nicht viel seines Sichtfelds sowie des uns gebotenen Bildes. Immer wieder werden Dinge angestrahlt, die Ekel und/oder Grauen erregen – á la irgendwelche kreischende, gehäutete Schlangen ähnelnde Kreaturen. Der Vorstellung des Betrachters wird es überlassen, was da noch so alles um ihn herum lauern sowie plötzlich auftauchen könnte. Ab und an trifft er auf einen seiner (wie er, ausgiebig blutbeschmierten) Freunde – doch entweder benimmt sich diejenige Person auf die eine oder andere Weise befremdlich-abnorm oder hat heftige Angst vor ihm: Wie Michelle, die augenblicklich verzweifelt vor ihm flüchtet, oder Ange, welche kurzerhand wortlos "diabolisch grinsend" ihre entblößten Brüste zu kneten anfängt…
Dämonische Einwirkungen? Durchleben eines schlechten Drogen-Trips? Ist Robbie im Limbus gelandet? Aliens? Eine Verzerrung der Realität? Übergänge zwischen verschiedenen Dimensionen? Möglich. Vielleicht. Keine Ahnung. Der Zuschauer ist genauso überfragt wie Robbie, was da über sie hereingebrochen ist – und trotz gewisser Ansätze, die jedoch nicht zwingend mit den Geschehnissen in Verbindung stehen (wie z.B. eine alte Gasmaske neben einem im Sand liegenden militärischen Warn-Schild), werden einem letzten Endes jegliche Antworten verweigert. Es ist absolut nachvollziehbar, dass das so manch einen frustrieren mag – allerdings hat Banfitch in der Beziehung einfach nur einen sehr konsequenten "expositionsfrei-dokumentierenden" Herangehensstil gewählt, für den ihm durchaus Lob gebührt. Diese vier Unglückseligen sind schlichtweg in etwas Unerklärliches hineingeraten…
Die Gruppe hört auf zu existieren – kein Zusammenhalt, keine Unterstützung – nur noch Robbie, der seine Kamera nicht loslässt und das sich ihm Bietende filmt: Oft geistesabwesend-unbewusst – aus der Gewohnheit seines Berufs (Regisseur und Cinematographer) heraus. Ist er ein reines Opfer – oder zudem ein Täter? In einem dissoziativen Zustand sieht er sich mit allerlei Schrecken, flackernden Lichtern und verwirrenden Visionen konfrontiert und findet sich in der Wüste ebenso wie in Höhlen, strömendem Wasser und auch Erinnerungen wieder – so als wäre das Raum-Zeit-Gefüge verzerrt und zersplittert. Das Problem dabei ist jedoch, dass sich das Ganze relativ rasch "abnutzt": Derart ohne Suspense oder in eine halbwegs konkrete Richtung deutende "Brotkrümel-Puzzlestücke" fürs Publikum ist es Banfitch alles in allem nicht gelungen, eine genügend hohe (einen besorgt oder fasziniert mitfiebern lassende) "Sog-Wirkung" zu generieren…
In verwandter Form wie Kyle Edward Ball´s "Skinamarink", der aus demselben Jahr stammt, welchen ich zum Zeitpunkt dieser Rezension aber noch nicht gesehen habe, strebt auch "the Outwaters" das Liefern eines "immersiven Erlebnisses" an: Man soll sich unbehaglich und so desorientiert, bedrückt und verstört wie Robbie fühlen. Bei wem das gelingt, für den dürfte der Streifen so intensiv wie schon lange keiner mehr sein. Trotz offener Bereitschaft dafür hat das bei mir aber leider nicht geklappt. Der Mangel an Spannung und einer "emotionalen Connection", sich Wiederholendes sowie die zum Teil unbefriedigende Beschaffenheit des Präsentierten – womit ich u.a. die Sache mit dem minimalen Sichtbereich meine, aus dem nicht einmal herausragend effektive "Jump Scares" hervorgehen – ließen selbst die finale "chaotisch-fiese" Dreiviertelstunde sich (meiner Empfindung nach) unschön "ziehen"…
Freilich ist es respektabel, was Banfitch (dank Talent und Kreativität) mit nur rund $15.000 hinbekommen hat: Einige der Shots sind wunderbar ansprechend zu beäugen – wie zwei komplett unterschiedliche mit Michelle auf einer weiten, offenen Wüstenfläche; eine davon verkehrtherum gefilmt – worüber hinaus die Kreaturen und Grausamkeiten – welche von blutigen Wunden über heraushängende Gedärme und abgetrennte Gliedmaße bis hin zu den "matschigen" Überresten einiger Esel reichen – ihre angedachten Zwecke jeweils anständig erfüllen sowie das ausgeprägte Sound-Design (samt der generellen Einbindung von Musik) umfassend überzeugt. Umso enttäuschter war ich am Ende, dass mich das Vorangegangene – also dieser an sich interessante, handwerklich kompetente experimentelle minimalistische Mindfuck – im Rahmen seiner Entfaltung nie vernünftig "packen" konnte…
gute