Entstehungsdaten:
Australien 2023
Regie:
Nick Kozakis
Darsteller:
Georgia Eyers
Dan Ewing
Tim Pocock
Trailer
Seit William Friedkin´s 1973er Kino-Adaption eines gewissen Romans aus der Feder William Peter Blattys sind über die Zeit hinweg geradezu unzählige Filme über religiöse Teufels- oder Dämonen-Austreibungen entstanden, von denen jedoch bloß eine kleine Minderzahl wirklich gut ist. Tatsächlich gilt ersterwähntes Werk bis heute – ein stolzes halbes Zentennium später – noch immer als "Primus" des betreffenden Subgenres. Bei "Godless: The Eastfield Exorcism" (aka "In God´s Care") von Drehbuch-Autor Alexander Angliss-Wilson und Regisseur Nick Kozakis handelt es sich um eine australische Low-Budget-Produktion aus dem Jahr 2023, welche hier fortan im Fokus der Betrachtung steht sowie "auf wahren Begebenheiten" beruht. Angesichts jenes Statements dürften viele unweigerlich die Nase rümpfen oder die Augen verdrehen – was ihnen aus der Erfahrung heraus auch keineswegs zu verübeln ist – doch ist der zugrunde liegende Fall dieses Mal leicht nachrecherchierbar und haben wir es bei dem Streifen an sich mit keinem zu tun, der bspw. umherfliegende Gegenstände oder schwebende Menschen aufweist, sondern eher mit einer spirituell-religiösen True-Crime-Horror-Story, die dabei auf übernatürliche Andeutungen und Motive zurückgreift…
Während der sich über insgesamt sieben Wochen hinweg erstreckenden Melbourner Covid-19-Lockdowns hatten sich die Macher ausgiebig mit der Materie beschäftigt und daraus ihre Vorlage gestaltet. Es war im Januar 1994, dass Joan Vollmer in der in Victoria gelegenen Kleinstadt Antwerp einen brutalen viertägigen Exorzismus durchleiden musste, nachdem sie zuvor eigenwilliges, abnormes Verhalten (wie Taumeln, Tanzen oder Tier-ähnliches Gebaren) zu zeigen begonnen hatte. Ihr Ehemann Ralph interpretierte das als eine Besessenheit: Eine Einschätzung, die von hinzugezogenen Nachbarn sowie Vertretern seiner örtlichen Kirchen-Gemeinde bekräftigt wurde – worauf sie sich schließlich (zusammen mit einem zweifelhaften "Sachkundigen") an das besagte Ritual begaben. Ich empfehle dazu einen lesenswerten Artikel Nathan Jollys. Generell werden überraschend häufig Exorzismen durchgeführt – überall auf der Welt; nicht nur im Katholizismus. Der Vatikan sieht das sogar als "eine Form der Nächstenliebe" an – bemüht sich durch eine entsprechende Ausbildung und Lizenzierung allerdings aktiv darum, die Sicherheit aller Beteiligten zu gewährleisten. Der bei Joan diese Praktik ausübende Herr besaß jedoch kein derartiges Training…
"Godless" entfaltet sich nun im Städtchen Eastfield angesiedelt, wo Ron (Dan Ewing) und Lara (Georgia Eyers) Levonde gerade (nicht zum ersten Mal) bei der Psychologin Dr. Walsh (Eliza Matengu) vorstellig werden. Länger bereits schlafwandelt sie – hat Blackouts, Erinnerungslücken und Halluzinationen. Trotz spezieller Pillen, die sie verschrieben bekommen sowie sorgsam eingenommen hat, verbessert sich ihr gesundheitlicher Zustand in keinem nennenswerten Maße – zumindest nicht rasch genug, der Auffassung ihres "der modernen Medizin" nicht unbedingt trauenden religiösen Gatten nach. Drängend bittet jener Walsh darum, ihnen ein Referral auszustellen – womit er dann einen offiziellen Exorzismus bei der Kirche zu beantragen in der Lage wäre, da er fest davon überzeugt ist, etwas habe von seiner Frau Besitz ergriffen, das sich nur so bekämpfen und besiegen lassen würde. Tatsächlich ist ein solches "Gutachten" übrigens auch in der Realität nötig, um einen vom Vatikan sanktionierten "Experten" hinzuziehen zu können bzw. zu dürfen. Walsh indes ist der Meinung, Lara´s Symptome würden auf eine Form von Schizophrenie hindeuten – weshalb sie Ron´s Ersuchen ablehnt…
Lara ist nicht so gläubig wie Ron und tendiert daher stärker zum Weiterführen der sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützenden Methode Walshs. Es ist jedoch nach einem besonders aggressiven und beängstigenden Anfall, im Zuge dessen sie u.a. obszön von sich als "Legion" spricht, dass sich Ron an seine Pastorin Barbara (Rosie Traynor) wendet – welche wiederum den Kontakt zu dem gleichermaßen charismatischen wie streng gottesfürchtigen Daniel (Tim Pocock) herstellt, der "in diesen Dingen bewandert" sei. Geschwind reist jener an und vermag Ron dank seiner vermittelten Selbstsicherheit, Barbara´s Empfehlung sowie der von ihm gewählten Worte dazu zu bringen, ihm "freie Hand" zu gewähren. Im Folgenden wird Laura an einen Stuhl in der Garage gefesselt – wo ab diesem Punkt nahezu ununterbrochen auf sie eingebetet wird, während man ihr Essen, Trinken und Säuberung verweigert, um dadurch "den Dämon zu schwächen". Als ein rasches Ergebnis nicht erzielt werden kann, ruft man wenig später eine Gruppe Gemeinde-Mitglieder "zur Kräfte-Bündelung" herbei. Je länger das Ritual voranschreitet – schon bald über mehrere Tage hinweg – desto verbissener und gewalttätiger geht Daniel dabei vor…
Als wir Lara am Anfang von "Godless" begegnen, ist sie aufgrund dessen, was sie in den vorausgegangenen Monaten durchlebt hat – u.a. plötzlich auftretende Kollapse, unerklärliches nächtliches Nackt-Tanzen im Garten sowie sie zum Teil in schreckliche Panik versetzende Visionen – zu einer in sich gekehrten, kleinlaut-zurückhaltenden Frau geworden. Zwar hegt sie noch die Hoffnung, dass ihr die Medikamente helfen werden – deren Wirkung (so wie Walsh es ihr und Ron erläutert hat) nunmal kein schneller Prozess ist – doch haben Unsicherheit und Angst sie physisch und mental ziemlich ausgelaugt. Vor ihrer Zeit mit Ron war sie mal in einer Klinik als Patientin geführt worden und in einer ihrer Schubladen bewahrt sie den Gips-Fußabdruck eines Kindes auf – allerdings sind keinem in ihrem jetzigen Umfeld Details bekannt, was damals geschehen ist, da sie nie darüber redet. Ron akzeptiert das – schließlich hat er sich unabhängig ihrer Vergangenheit in sie verliebt – bloß zieht er eine damit verbundene Ursache ihrer aktuellen Situation im Prinzip nicht weiter in Betracht. Stattdessen haben seine Religiosität sowie Skepsis und Ungeduld gegenüber pharma-medizinischer Therapie-Formen bei ihm eine starre Meinung gebildet…
Fraglos ist Ron um Lara besorgt sowie darauf aus, ihr möglichst gute Hilfe zukommen zu lassen. Es ist jedoch auffallend, wie energisch er im Gespräch mit Walsh "für sie" (in ihrem Namen; seiner Ansicht nach zu ihrem Besten) argumentiert – und er ist es dann auch, der letzten Endes entscheidet, Barbara und Daniel zu involvieren; entgegen ihres Willens und somit über ihren Körper und Geist bestimmend. Versuche, Menschen zu beeinflussen oder zu manipulieren, sind (bspw. in den Medien, der Politik und Werbung) bekanntlich ebenso allgegenwärtig wie Missinformationen. In einer Szene berichtet ein Klempner Lara von der Schädlichkeit von Impfungen sowie Fluorid im Leitungswasser – in einer anderen hört Ron von Barbara, dass sie eine schwere Krankheit erst überwinden konnte, als sie den Ärzten einfach nicht mehr alles abgenommen sowie nur noch Gott allein in der Beziehung (voll und ganz) vertraut hätte. Laut Marx ist Religion ja "Opium des Volkes" – laut Lenin "Opium fürs Volk". Überlieferungen werden der belegbaren Wissenschaft übergeordnet – was seit jeher gefährlich ist sowie Unmengen an Leid (inklusive horrend hoher Opferzahlen) hervorgebracht hat; unter ihnen Joan Vollmer bzw. Lara Levonde hier im Film…
Charismatisch, selbstgewiss, wortgewandt sowie unbeugsam in seinem Glauben, ist Daniel ein vergleichsweise junger "Dämonen-Austreiber" – einer dieser Prediger-/Verkäufer-/Hochstapler-Typen, auf welche Leute des Öfteren hereinfallen, die in jene ihre Hoffnung setzen sowie nicht dazu imstande sind, zu registrieren oder zu durchblicken, was für eine unsympathische "Blender-Person" das eigentlich ist. So auch Ron – gemäß seines Wunschs nach Besserung für Lara. Im Laufe des Folter-haft inhumanen Vorgehens schmerzt es ihn, seine Frau so zu sehen. Ihr Flehen, doch bitte einzuschreiten, sei schlichtweg ein Trick, um sie vom Erreichen ihres Ziels abzuhalten, erklärt ihm Daniel. Wenn sie jetzt nachgeben würden, dürfte ihre Seele nicht mehr zu retten sein. Also wird fortgefahren: Bibel-Verse, Kruzifixe, Nahrungsmittel-Entzug und Schläge. Man appelliert an die Geschlossenheit der versammelten Kirchen-Mitglieder – aus deren Reihen man eine nach ihrem Wagen des Äußerns von Kritik postwendend des Schauplatzes verbannt. Eventuell besteht ja die Chance, dass jene die Behörden informiert, oder sich Walsh mal nach dem Wohlbefinden ihrer Patientin erkundigt, bevor es für Lara zu spät ist…
Bis heute sind unsanktionierte Exorzismen offenbar keine Seltenheit – meist innerhalb ärmerer, religiöser Bevölkerungsgruppen, die nicht genügend über psychische Erkrankungen wissen und/oder keinen Zugang zu entsprechenden Behandlungen haben. Überwiegend werden Frauen und Kinder dieser Prozedur ausgeliefert – und das oft mit tragischen Folgen, die seitens der Justiz häufig bloß mild (oder gar nicht) bestraft werden. So wie die Rolle in "Godless" konzipiert wurde, portraitiert Tim Pocock ("X-Men Origins: Wolverine") den narzisstischen, in seiner fanatischen Rage "alle Maßnahmen" (egal wie brutal sie auch sein mögen) heranziehenden Daniel ordentlich. Schade ist jedoch, dass man nicht mehr über ihn erfährt: Da hätte ich mir eine umfangreichere "Dimensionalität" gewünscht. Ron´s Gefühle und Schwächen transportiert Dan Ewing ("Love and Monsters") indes glaubwürdig, dessen Nicht-Eingreifen einen unweigerlich wütend auf ihn macht – während Georgia Eyers ("the Xrossing") die verschiedenen Facetten und Gemütszustände Laras bestens meistert sowie Eliza Matengu ("Red Sonja") und Rosie Traynor ("Lake Mungo") ihre Nebenparts beidesamt zufrieden stellend darbieten…
Genährt von der Unklarheit, was mit Lara los ist, schwört Regisseur Kozakis ("Plague") von Beginn an eine unheilschwangere Stimmung herauf. Empathie wird generiert und Erwartungen werden geschürt. Es gibt vereinzelte Jump-Scares zu verzeichnen – komplett mit "unsubtilem Sound-Design" – sowie halluzinatorische dämonische Visionen, die sie heimsuchen bzw. welche sie durchlebt. Ist sie tatsächlich besessen – oder hat sich "das Kirchliche" um sie herum auf das ausgewirkt, was ihr ungesunder geistlicher Zustand in jenen Momenten und Phasen hervorbringt? Nicht immer funktioniert diese "Balance" optimal – worüber hinaus die Vorlage Angliss-Wilsons ("Not an Animal") manche reizvolle Ansätze und Charakter-Eigenheiten einen Zacken zu oberflächlich angegangen belässt, ohne sie tiefer auszuloten – allerdings ändert das nichts an dem handwerklich rundum kompetent arrangierten Gebotenen, welches außerdem mit einem wohligen "atmosphärischen Indie-Vibe" aufwartet, zu dem auch der Score Dmitri Golovkos ("Red Hill") sowie die Kamera-Arbeit Carl Allisons ("Hairsucker") jeweils ergiebige Anteile beitragen. So einige Images und Sequenzen sind wahrhaft schick anzusehen…
In 20 Tagen im ländlichen Victoria gedreht, hat Kozakis das Bild-Material immerzu zeitnah kontrolliert sowie fürs Editing vorbereitet, da spätere Re-Shoots aus Budget-Gründen nicht in Frage kamen (für die Post-Production wurde primär ein einfaches "MacBook Pro" genutzt). Die Make-up-Kreationen sind von guter Qualität und "das Ungemütliche" der Ereignisse sorgt mit dafür, dass die Absicht/Botschaft des Films in evidenter Weise vermittelt wird. Dieser Exorzismus ist nicht "aufregend" im klassischen Sinne – er erzeugt Anspannung, Wut und Mitleid. Umso heftiger, emotional effektiver schlagen spezielle Augenblicke im finalen Drittel zu Buche – wie z.B. Rückblenden zu wichtigen Geschehnissen, bevor Lara Ron kennengelernt hat, sowie etwas im Zusammenhang mit dem erwähnten Gipsabdruck. Dank seiner mit dem realen Fall (auf welchem er basiert) verbundenen Perspektive ist "Godless" ein eher unkonventioneller, innerhalb des Genres irgendwo in der Nachbarschaft von Scott Derrickson´s "the Exorcism of Emily Rose" und "Requiem" (mit Sandra Hüller) zu verortender Streifen dieser Art, der durchaus ein Anschauen wert ist – wobei man sich vom deutschen Covermotiv weder abschrecken noch fehlleiten lassen sollte…
starke