
Entstehungsdaten:
USA 2024
Regie:
Mercedes Bryce Morgan
Darsteller:
Maddie Hasson
Marco Pigossi
Alex Roe
Andra Nechita
Trailer
Der erotisch-humorige 2024er Horror-Psycho-Thriller „Bone Lake“ eröffnet in Gestalt eines splitternackten Pärchens, das (bei lichtem Sonnenschein) von jemandem mit einer Armbrust durch einen Wald gehetzt wird. Zuerst hasten sie Hand in Hand – bevor er (Clayton Spencer) sie (Eliane Reis) angesichts dessen, dass er allein schneller wäre, kurzerhand loslässt und vorzulaufen beginnt. Allzu weit kommt er allerdings nicht: Am Rücken getroffen, wird aus seinem Rennen fortan ein langsames Stolpern. Als sie ihn daraufhin passiert, blickt sie noch einmal zu ihm zurück – stürzt dabei jedoch über einen am Boden liegenden Ast und wird wiederum von einem anderen aufgespießt, auf den sie niederfällt. Im nächsten Moment durchschlägt ein Pfeil den Hodensack des Mannes – was man tatsächlich in Großaufnahme zu sehen bekommt! Wenig später finalisiert der Killer sein Werk – und der in so mancherlei Hinsicht richtungsweisende Einstieg des Streifens klingt aus, welchen Regisseurin Mercedes Bryce Morgan („Spoonful of Sugar“) dem Publikum des 39. „Fantasy Filmfests“ im Vorfeld via eingespielter Video-Botschaft sowohl als bloody-sexy als auch als a fucking good time angekündigt hatte…
Sich auf einem Road-Trip befindend, kehren Sage (Maddie Hasson) und Diego (Marco Pigossi) auf ihrer Route für ein Wochenende in ein idyllisch-abgeschieden an dem Titel-gebenden See gelegenen luxuriös-geräumigen Haus ein, das sie online zu einem guten Preis gebucht hatten, um sich in der aktuellen Phase ihrer Beziehung mal was zu gönnen. Schon seit einiger Zeit arbeitet er an einem Roman – während sie sich (seine Ambitionen unterstützend) um ihren gemeinsamen Lebensunterhalt kümmert; wofür sie sogar einen neuen Job angenommen hat, der zwar besser bezahlt wird, sie aber nicht so erfüllt wie ihr bisheriger. Kaum ausgepackt, stehen dann aber plötzlich Cin (Andra Nechita) und Will (Alex Roe) vor der Tür – welche genauso eine Reservierung für die Villa besitzen. Mit dem Objekt bei mehreren Anbietern im Internet gelistet, war diese Sachlage offenbar aus einem Fehler bei der Termin-Abstimmung mit dem Vermieter resultiert. Mit keinem Verantwortlichen telefonisch erreichbar, entschließen sie sich letztlich dazu, sich das große Anwesen für die Dauer einfach zu teilen: Interessante Gesellschaft anstatt der gewohnten Zweisamkeit kann ja ebenfalls durchaus nett sein…
Von seiner Ausgangssituation her erinnert „Bone Lake“ an Genre-Kollegen wie „Barbarian“ oder „the Rental“ – geht im Ganzen allerdings eigene Wege sowie nach dem hektisch-brutalen Einstieg stracks in eine längere deutlich ruhigere Phase über, in der sich Skript-Autor Joshua Friedlander („Suicide Blonde“) auf seine Charaktere und die Eigenheiten der Paare (inklusive der Dynamiken unter den Liebenden sowie den jeweils anderen gegenüber) konzentrierte. Mit einer angenehmen Leichtigkeit versehen – á la die spontane Idee der Männer, per „Stein, Schere, Papier“ zu regeln, wer bleiben darf – bis die Frauen da einschreiten und man sich auf die genannte Lösung einigt – oder Diego's (vor Cin's und Will's Ankunft) Sage zur Schau gestellte Kleidung-optional-Devise für ihren Aufenthalt dort – präsentiert einem der Film ein sympathisches Lead-Gespann mit nachempfindbaren Emotionen und Sorgen: Diego und Sage hatten sich auf dem College kennengelernt, sind nun so um die 30 und waren beide berufstätig – bis er sich in Vollzeit seinem Traum zu widmen anfing, ein Buch zu schreiben; was sie ihm gern (unabhängig gewisser ihr damit aufgebürdeter Einschränkungen) ermöglichen möchte…
Was Sage nicht weiß: Diego hat vor, ihr an einem dieser Tage einen Heiratsantrag zu machen – will sozusagen das nächste Kapitel aufschlagen; fest daran glaubend, dass sie zusammen alle Herausforderungen mit Sicherheit prima meistern werden. Ihr Optimismus-Grad ist da geringfügig zurückhaltender – doch sind solche mitunter nicht deckungsgleichen Gedanken und Gegebenheiten ja nicht ungewöhnlich und ist ihre Partnerschaft nichtsdestotrotz als stabil einzustufen. Will und Cin (eigentlich übrigens Cinnamon) sind nur minimal jünger – von ihrer Art her aber wesentlich beschwingter und lockerer sowie außerdem unbestreitbar attraktiv. Sie haben häufiger Geschlechtsverkehr, streben an dieser coolen Location ordentlich Spaß an und bemühen sich darum, Sage und Diego mit darin einzubinden. U.a. kochen und essen sie zu viert, schwimmen im See und verleben einen feucht-fröhlichen Abend – der an einem Punkt in das Wagnis einmündet, mindestens zwei von insgesamt drei verschlossenen Türen im Haus zu knacken: Hinter einer entdecken ein kinky ausgestattetes „Sex-Zimmer“ – sowie im nächsten etliche kreisförmig um ein Ouija-Board (für eine Séance) auf dem Boden platzierte Kerzen…
Wie wir erfahren, war Bone Lake aufgrund vergangener düsterer Geschehnisse zu seinem Namen gelangt – nicht etwa wegen irgendwelcher „Schlüpfrigkeiten“. Eine Schmälerung der Laune der Gäste ruft dieses Wissen nicht hervor – allerdings wird jene zunehmend durch bestimmte Beobachtungen, Konversationen, Vermutungen und Feelings beeinflusst. Cin und Will sind keineswegs prüde und fühlen sich augenfällig wohl mit ihren Körpern – und so bringt es Sage in Verlegenheit, als sie am frühen Morgen auf Will (nach dessen Jogging-Runde) draußen beim Nacktduschen trifft, und reagiert Diego unbehaglich-verschämt, als Cin ihn nur in einem Handtuch gehüllt nach Hilfe bei der Suche nach ihren Kontaktlinsen bittet. Dazu noch sich um Intimitäten und Finanzielles rankende Gespräche, die Chance, dass Cin Diego's Lieblings-Autor eine Probe seiner Arbeit zukommen lassen könnte, sowie generell manche Interaktion mit diesen Fremden, die frei heraus über Dinge reden, die sie üblicherweise nicht dermaßen direkt thematisieren. Die Frage ist halt bloß, ob es von ihnen konkret beabsichtigt ist, sie damit zu provozieren – sei es in einem negativen oder eventuell auch positiven Sinne…
Sind Will und Cin von Natur aus so unverblümt und flirty, führen sie was im Schilde oder wirken sie auf sie nur in dieser Ausprägung, weil sie selbst einfach anders sind? Als Diego Sage bspw. mal beim Masturbieren in der Badewanne „ertappt“, äußert er später seinen Unmut darüber – und das nicht nur da sie einige Stunden zuvor nicht auf seine „Beischlaf-Avancen“ eingegangen war. Er scheint an Unsicherheit im Bereich des Selbstwerts zu leiden, welche er in diese Ankreidung umverpackt. Zwischen den Paaren wächst eine Spannung an, die auf unterschiedliche Weise ausgehen könnte. Als Will Diego in einer wichtigen Sache „aushebelt“ – dessen Aussage nach aus unüberlegter persönlicher Verzweiflung – mit letzterem nicht dazu fähig, das richtigzustellen, ohne dass er dafür vor den Frauen furchtbar dastehen würde – läutet das eine weitere „Eskalationsstufe“ ein, die Sage so aber nicht registrieren kann. Faktoren wie Eifersucht, Begehren, Ehrlichkeit und Misstrauen werden aufgewühlt und treten in den Fokus – was u.a. Wut, Schmerz und Enttäuschung erzeugt sowie sie jeweils „anfälliger“ für Verführungen und/oder das Raushauen harter, potentiell verletzender Worte macht…
„Bone Lake“ wartet mit einer Menge Beziehungs-Psychospielchen auf: Mal neckisch-amüsant, mal sexuell, mal heimtückisch manipulativ. Da das Publikum die Wahrheit nicht kennt – sondern nur das Gezeigte – ist nicht klar, an welchen Punkten wirklich wieviel dran ist. Unbestritten ist jedoch, dass einiges einen Nerv anbohrt: Wenn z.B. bekannt ist, dass jemand vor mehreren Jahren mal mit seinem/ihrem Ex geschlafen hat – wäre es möglich, dass das nicht bloß „ein einzelner Ausrutscher“ war? Gedachtes, innerlich Bedrückendes, bislang aber Unausgesprochenes kommt zutage: Man sieht sich plötzlich mit speziellen Verdächtigungen, Verstimmungen und Konflikten konfrontiert. Und wenn sich inmitten all dem obendrein noch die Gelegenheit eines aufregenden Seitensprungs bietet – und das sowohl für Diego als auch für Sage – mit schick ausschauenden Leuten, denen man aller Voraussicht nach nie wieder begegnen wird – wer weiß? Diese erotische Komponente wusste mir zu gefallen – u.a. weil das seit den Neunzigern in Streifen dieser Gattung eher selten geworden ist. Schade nur, dass die vorhandenen Sex-Szenen deutlich weniger freizügig daherkommen als es der Prolog ein Stück weit „in Aussicht gestellt“ hat…
Inhaltlich „Speak no Evil“ und „A Perfect Getaway“ hier und da leicht ähnlich, profitiert der Film von soliden Figuren-Zeichnungen, Dialogen von anständiger Qualität sowie engagierten, glaubwürdigen Performances – wobei das Lead-Quartett hervorragend miteinander harmoniert sowie die verschiedenen Verstrickungen und Entwicklungen dieser aufrührerischen Situation gut transportiert; sporadisch umso ergiebiger per etwas offenbarende flüchtige Blicke und/oder kleine Gesten. Maddie Hasson („Malignant“) – im Vorliegenden noch stärker als sonst wie Florence Pugh aussehend sowie nach „Fixation“ (2022) das zweite Mal mit Morgan kollaborierend – verleiht Sage die nötige Emotionalität, Ausstrahlung und Komplexität, der Brasilianer Marco Pigossi („High Tide“) bringt Diego's Eigenschaften, Hoffnungen und Dilemmas prima rüber, Andra Nechita („Crime 101“) portraitiert Cin nice launig und aufreizend und Alex Roe („Hot Summer Nights“) verkörpert Will einen unweigerlich an Dave Franco denken lassend. Im Einklang mit allem agieren sie durch die Bank weg unterhaltsam – es absolut Lob gebührend, dass der Humor beseelter Beschaffenheit ist und nie einen „Stör-Faktor“ markiert…
Aber hey: Das klingt doch irgendwie nach einer Indie-Dramödie, anstelle eines Horror-Flicks – oder? Korrekt, denn tatsächlich tendiert „Bone Lake“ rund eine Stunde in diese Richtung – was nichts Negatives ist! Parallel dazu gedeiht nämlich außerdem ein damit verknüpfter Thriller-Anteil, der sich via eine Reihe von Enthüllungen stetig zuspitzt und schließlich in einem vergnüglich-wüsten finalen Akt einmündet – reich an Action, Splatter und Gewalt. Satte Farben, eine ansprechende Kamera-Arbeit Nick Matthews' („Saw X“), ein netter Score Ben Cherneys („Afterburn“) und Roque Baños' („the Girl in the Spider's Web“) sowie Morgan's kompetente Regie – welche (gemäß Friedlander's Vorlage) genau den passenden Ton der Materie trifft: Augenzwinkernd ironisch self-aware, jeweils einen zusagenden Zacken sexy und campy sowie schön practical und unzurückhaltend arrangierte blutige Brutalitäten präsentierend – simultan allerdings auch gewitzt real-ernste Themen anschneidend sowie Charaktere vorweisend, die weder nervig, unausstehlich, dumm noch bloße „klischeehafte Abziehbilder“ sind. Quasi ein perfider Treue- bzw. Beziehungs-Stress-Test mit einem erfreulich stattlichen Entertainment/Fun-Level…
