Bei „Worth“ (aka „What is Life worth“, 2020) haben wir es mit einem Drama von Sara Colangelo („the Kindergarten Teacher“) zu tun, das hierzulande unter dem „etwas direkteren“ Titel „Der Fall 9/11 – Was ist ein Leben wert?“ veröffentlicht wurde. Um letztere Frage – auf die es ja eigentlich keine Antwort gibt – geht es hier. Im Zentrum der Geschichte steht Kenneth Feinberg – ein prominenter Mediator bei der Abwicklung von großen Kompensationszahlungsfällen, der in jener Funktion u.a. auch an den „Nachbereitungen“ der BP-Deepwater-Horizon-Katastrophe, des „Agent Orange“-Einsatzes sowie des VW-Dieselskandals beteiligt war. Infolge der 2001er Terroranschläge hatte er die Aufgabe übernommen, die Entschädigungen für die Angehörigen der Opfer zu berechnen und sie von der Annahme entsprechender (auf einer Verteilungsformel beruhender) Gelder aus dem „September 11th Victim Compensation Fund“ zu überzeugen, anstatt auf dem Gerichtswege zu klagen…
Drehbuchautor Max Borenstein hat zwei Bücher Feinbergs in seiner Vorlage vereint sowie die damaligen Geschehnisse auf zurückhaltende, aber effektive Weise aufgearbeitet: Informativ und emotional – ohne dabei aber groß patriotisch oder sentimental zu werden. Feinberg und sein Team standen damals vor einem mächtigen ethisch-moralischen Dilemma, bei dem zudem wirtschaftliche und politische Interessen mitberücksichtigt werden mussten. Warum sollen die Hinterbliebenen einer Reinigungskraft weniger Geld erhalten als die Angehörigen eines Top-Managers? Wie individuell und fair kann eine Formel sein, die tausende Personen umschließt? Zahlen und Statistiken auf der einen, menschliche Schicksale auf der anderen Seite. Erst als Feinberg diese „nüchterne Distanz“ aufgibt und auch Gefühle in dem Verfahren zulässt, kommt er bei seiner Arbeit voran…
Colangelo hat bei ihrem Film genau den richtigen „Ton“ getroffen – in grob vergleichbarer Weise wie z.B. Tom McCarthy bei „Spotlight“. Auch in jenem Werk spielten Michael Keaton und Stanley Tucci mit. Im Vorliegenden portraitiert Keaton Feinberg (erwartungsgemäß) hervorragend – was ebenso auf Tucci als einen Witwer zutrifft, der eine „Gegenbewegung“ organisiert, da er mit der Heran- und Vorgehensweise Feinbergs nicht einverstanden ist (im Grunde haben beide aber dasselbe Ziel). Neben ihnen überzeugen überdies u.a. noch Amy Ryan und Shunori Ramanathan. Bei einem Film dieser Art kann man sich ja fast schon im Vorfeld (bspw. in Anbetracht der Materie) denken, ob er einem gefallen wird oder nicht. Unabhängig dessen – also losgelöst der konkreten Thematik – ist „Worth“ rundum kompetent gespielt, konzipiert und in Szene gesetzt worden. Und wer noch eine gute Doku über Feinberg sehen möchte, dem sei auf jeden Fall Karin Jurschick´s „Playing God“ (2017) ans Herz gelegt…